Inhalt
"Ich bin jetzt 42. Vor drei Jahren bin ich ausgestiegen, in meiner Ehe war ich ein Nichts. Mein Mann selbst hat immer wieder gesagt: ,Du bist ein Nichts und Niemand. Du wirst in deinem Leben keine Spur hinterlassen. Alles, was du bist, bist du nur durch mich.' - Ich bin ein Nichts geworden. Mit 22 war ich kreativ und eigenständig. Aber dann habe ich geheiratet und bin in einem unheimlich schleichenden Prozeß die Frau geworden von..., das Zubehör von..., das Anhängsel von... Noch heute werde ich als die ,Exgattin des Abgeordneten Professor Dr. Massmann' gehandelt. Als wir heirateten, war ich die aktivere. Er ist durch meine Blutspenden zu Kräften gekommen. Er hat Karriere gemacht, ich hatte den Haushalt, und ich hatte die drei Kinder."
Dieses Buch ist die schonungslose offene Lebensbilanz einer jungen Frau, die nach einem langen, schmerzhaften Ablösungsprozeß den Sprung aus der Ehe gewagt hat, um ein neues Leben in Unabhängigkeit zu versuchen. Judith Jannbergs Selbstfindung könnte viele Frauen Mut machen, ihre Lage zu erkennen und zu handeln.
Buchbeginn
Ich bin eine einzige Wunde
Mein Elend begann mit der Schwangerschaft.
Ohne Not habe ich mit zweiundzwanzig einem Mann beigeschlafen. Ich erinnere mich noch genau an die Vorsätzlichkeit dieses Akts: Du mußt das einmal erfahren. Irgendwann muß jede Frau das einmal tun.
Bis zu meinem zweiundzwanzigsten Lebensjahr war ich der asexuelle Kamerad gewesen. Ich war in Sportvereinen aktiv, als Leistungsschwimmerin und bei den Bergsteigern als Spezialistin für gefährliches Klettern geschätzt. Ich fühlte mich so wie ich war akzeptiert: Alle mochten mich im Handpuppenlehrgang, niemand fragte im Theaterkurs nach meiner Herkunft, in den Volkstanzgruppen war das Heimkind Judith die begehrteste Partnerin.
Fischer Verlag
Reihe: Die Frau in der Gesellschaft